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“Der Morlok” ( auch Morlock) ist eine Schrift – im Original handschriftlich, deutsche Schreibschrift, vier Din A 4 Seiten – die im Jahre 1904 von Pfarrer Reiff auf Grund einer Anfrage von Professor Karl Bohnenberger, Tübingen aus dem Jahre 1902 für dessen volkskundliche Sammlung, bzw. geplante Veröffentlichung angefertigt wurde. Das Original dieser Handschrift wird in der Landesstelle für Volkskunde in Stuttgart bei den Konferenzaufsätzen aufbewahrt..


Jakob Friedrich Morlok – verfasst von Pfarrer Gittinger 1904

Bauer im Ödenhof, geboren daselbst 17. April 1835

1866 – 95 Gemeinderat

1873 – jetzt Pfarrgemeinderat

Wer in Mitteltal nachmittags um die Vesperstunde ins “Lamm” kommt, kann daselbst Tag für Tag, immer am gleichen Platz oben am Stammtisch einen sicheren Gast finden. Fest und würdig sitzt er auf der Bank, das biedere, längliche, etwas bleiche Gesicht von einem schmalen Bartkranz eingerahmt, die starkknochige Gestalt aufrecht gehalten, einen Schein von Behagen um den Mund, der sich von Schoppen zu Schoppen steigert. Das ist der Morlok, der weithin bekannte Wunderdoktor für Menschen und anderes Vieh.

Anfangs sitzt er meist allein und wechselt mit dem Lammwirt oder seiner Frau einige gesetzte Redensarten über das Wetter oder das Bier. Bald aber zeigt es sich: wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler. Es kommen meist hinten herein durch Küche und Schank die durstigen Kumpane des Thals, der Mühle-Ernst, der Gotthilf mit seinem Johannes, der Schmied, der Beck und wie sie alle heißen. “Gutan Obed! Send er au do!” grüßten sie den Morlok. “Jo, i haun uf der Sägmühle a G´schäftle g´het! No haun i gsait, i muaß doch au am Lamm en Schoppa kaufa!” Dascht recht! Sagt der Kunde und die Unterhaltung kommt in Gang. Der Morlok ist ein unterhaltsamer Mann. Er spricht gern und hört gern etwas. Was er zum tausendsten Mal schon erzählt hat, erzählt er zum tausendundersten Mal mit unermüdlichem Eifer und was er schon hundertmal mit angehört hat, hört er immer wieder mit dem alten Behagen. Die Auswahl der Stoffe ist beschränkt. Er erzählt von den Schultheißen, Pfarrern und Förstern der Gemeinde. Auch die Oberamtmänner und Oberamtsrichter zählen zu seinen Bekannten. Er weiß zu berichten von seiner Tätigkeit als Gemeinderat, Waisenrichter, Untergänger, mit Vorliebe auch von seinen Sitzungen als Geschworener.

Auch Reisen hat er schon gemacht. In Stuttgart, Frankfurt (am Palmagärtle) hat er Wunderdinge erlebt. Man erfährt auch, was er als Sägmühlenrechner auf der Ellbach- und Rauhfelser Säge für schwierige Arbeiten leistet, wenn er mit dem Schmierabuben (Öl-und Riemen -reisender) zu Stand kommt.

Aber auch seine Haus – und Landwirtschaft wird ausgeschlachtet. Da hört man von seinem Vater, dem der Magen durch den Schnaps(?) eingeschnüret ist, von seinem Weib, die nur infolge seiner Kunst erst mit 45 Jahren gestorben ist, von seinem hauptguten Wasserbronnen, von sämtlichen Ochsen, die er schon gehabt, auch von etlichen merkwürdigen Göckele und Hunden seines Hauses, von den Rebhühnern, die bei seinem Haus überwintern und den Raben, die ihnen nachstellen.

Wenn er dann kommt, berichtet er auch von seiner Praxis wie er dem und jenem geholfen und wie ihm eine Frau von Bertin ein Kindle in Lebensgröße (Puppe) für sein Agle dafür geschickt, wie ihn der Doktor schon beim Oberamt angezeigt, wie ihn aber der Bames, sein guter Freund (Oberamtmann), keine Laus geschehen lasse.

Wer ihn so hört, hat den Eindruck eines überaus offenen, gesprächigen Biedermannes, wer aber tiefer horcht und die Herztöne mitschwingen hört, der merkt, wie der kluge Schwarzwaldbauer in dem allem sich gibt, nicht wie er ist, sondern wie er aussehen will.

Unterhaltend ist es aber sehr. Und getrunken wird nicht wenig dabei. Der Morlok kann etwas vertragen. Indessen kommen andere Gäste, auch etliche badische Bauern mit dem Rundhut auf dem Rundkopf und den blauen oder roten Westen treten ein. Die wollen zum Morlok. Sie setzen sich an den Tisch im Winkel, bestellen ein Glas Bier und sagen dem Lammwirt ihr Anliegen. Der gibt’s mit der Zeit dem Morlok zu wissen. ”S´ischt schau recht”, sagt der “ lang mr no au an Schoppa!”

Nach diesem lassen die Badischen wieder bescheiden anfragen, und wieder sagt der Morlok:” S´ischt recht, lang mr no ein!”. Endlich sehen sie ein, dass heute nichts mehr zu machen ist, bestellen ein Nachtquartier und bleiben da. Der Morlok bleibt auch noch lang. Er wird immer gesprächiger und lauter. Seine Kraftwörter: unbedengt also! Generalleutnant! Halt dein Maul, jetz will i ebbes sage, wiederholen sich immer häufiger, bis die Zunge erst leichtere, dann schwerere Lähmungserscheinungen zeigt.

Die Gesellschaft wird immer kleiner. Wenn gar keiner mehr aushält, geht auch der Morlok heim. Nicht ohne Mühe steigt er den Ödenhofweg hinauf, im Mondenschein leuchtet ihm sein stattliches Gehöfte mit den saftigen Wiesen und wohlgebauten Feldern entgegen. Weib und Kinder sind schon längst zur Ruhe gegangen und auch er liegt bald im tiefen Schlaf.

Am andern Morgen in aller Frühe füllt sich seine Stube. Die übernachteten Badischen und andere, die mit Laternen über den Kniebis gestiegen, finden sich ein. Dazu Leute aus dem Thal und aus der Stadt nicht wenige. Die Bank, welche um zwei Seiten der Stube geht, ist dicht besetzt. Die Morlokin kocht das Morgenessen.

Der Morlok aber liegt in seinem Bett in der Stube, vom Bettvorhang nur mäßig verhüllt und schnarcht aus allen Tonarten. Es geniert ihn kein bisschen, dass seine Stube voll Kunden ist. Die sollen nur warten. Endlich wird er wach, fährt in die Hosen und geht zum Brunnen in den Hof, wo er Schlaf und Müdigkeit mit dem frischen Wasser abspült. Mit ruhiger, überlegener Würde geht er durch die Stube in die Kammer, welche als Sprechzimmer dient.

In der Kammer hängt ein alter Spiegelscherben, der Bergspiegel, in dem der Morlok alles sieht, die Krankheit, die Hexe, welche sie gemacht hat, den Dieb, der gestohlen, die Heilmittel, alles, was er sehen will. Deshalb ist die Konsultation bald vorbei. Er hört den kurzen Bericht, lässt sich das Wasser des Kranken zeigen und giebt dann eine Arznei oder schreibt auch ein Rezept oder giebt mündliche Auskunft. Befriedigt ziehen die Patienten ab, überzeugt, dass er die Hauptsache zu Hause für sie mache. Billig ist der Morlok. Er nimmt nie weiter als eine Mark, von vielen nur 30 – 50 Pfennige mitsamt der Arznei, von Armen auch gar nichts. Trotzdem verdient er viel Geld, der Zulauf ist kolossal groß.

Aber was für Mittel wendet der Morlok an? Die meisten seiner Kranken erwarten Sympathiemittel. Er lässt sie auch ruhig auf dem Glauben, dass er mehr kann, als Brot essen. Gelegentlich, wenn er zu Kranken kommt, wendet er in der Tat das Besprechen, Blasen und Streichen an.

Er scheint auch über eine heimliche magnetische Kraft zu verfügen. Ich habe Fälle gesehen, in denen er durch Streichen merkwürdige Wirkungen erzielt hat. Zu den Sympathiemitteln sind auch die alten , überall im Volk sich findenden Kuren zu rechnen, welche der Morlok verordnet und welche sich durch ihre dunkle Tollheit auszeichnen.Z.B. wenn er einen Gelbsüchtigen über ein Stück vom Blitz getroffenes Holz..., und dann das Holz verbrennen lässt, oder wenn er eine lebendige Forelle auf den bloßen Leib binden lässt, bis sie verendet und dergleichen. Man erfährt es selten, weil es unbeschrieen geschehen muß. Außerdem weiß er eine Menge alter Hausmittel, in denen Öl, Fett von allen möglichen Tieren, Pflanzenabsud, Thee, Eier, Hundefleisch und anderes eine große Rolle spielen. Von seinem Vater her besitzt er zwei alte Arzneibücher aus denen er die sonderbarsten Rezepte abschreibt. Sein alter Freund der Apothekerbernhard in Baiersbronn hat alle diese Rezepte gemacht – ob gerade wörtlich, weiß man nicht. Außerdem hat ein früherer Pfarrverweser den Morlok in die Geheimnisse der Homöopathie eingeweiht. Er verwendet sehr viel homöopathische Mittel, die er in großen Packungen aus der homöopathischen Zentralapotheke in Leipzig bezieht. Ganz ohne Kenntnissen in der Anatomie ist er auch nicht. Er scheint sich dieselben bei seiner früher ausgeübten Tätigkeit als Hausmetzger erworben zu haben. Wenigstens pflegt er zu versichern: Die Eingeweide eines Menschen und einer Sau seien ganz die gleichen.

Also ein vielseitiger Doktor ist der Morlok. Er kann die Leute sanft oder scharf oder gar auch an der Wurzel packen. Die Zahl seiner Heilungen ist Legion und der Glaube an ihn offen oder insgeheim groß. Da er seine Kunst von seinem Vater ererbt hat, so ist er bestrebt, dieselbe seinem Sohn weiterzugeben


Jakob Friedrich Morlok


Aktualisiert: 18.4.06 © copyright by Architektur CON TERRA Sabine Rothfuß, Architektin